Zeitzeugen in der Grundschule 

Bewegender als ein Dokumentarfilm sind die Bilder, die Ernst Hanft und Marianne Räder mit ihrer Erzählung in den Köpfen der Kinder erstehen lassen.

Als Zeitzeugen, als Zeugen des 23. Februars 1945, sind die beiden in die Grundschule St.Hedwig zu den Schülern der 4. Klassen gekommen. Als Kinder haben sie diesen wohl dunkelsten Tag in der jüngeren Stadtgeschichte miterlebt. Auch wenn inzwischen 74 Jahre vergangen sind, die Ereignisse an jenem warmen Vorfrühlingstag haben sich eingebrannt. Jede Einzelheit ist noch präsent. Das Verladen der FLAK-Geschütze am Bahnhof beobachtete Marianne Räder, als der Voralarm kam. Auf die erste Angriffswelle folgte eine zweite und dritte. In fünf Wellen kamen die 124 Bomber und warfen ihre tödliche Last über der Stadt ab. Heute weiß man, dass es 70 Minuten gedauert hat. Für Marianne Räder war es eine Ewigkeit, die sie im Keller ihres Elternhauses verbrachte. Danach hatten sie und ihre Freundin Hunger, aber in den  Kochtöpfe auf dem Herd lag der Verputz der Küchendecke. Eine Nachbarin fand eine Laugenbreze, wischte Staub und Mörtel ab und gab sie ihr und ihrer Freundin.

Auch Ernst Hanft kann das Mittagessen auf dem Tisch noch beschreiben: Pfannkuchen mit Zwetschgenmus. Die Mutter hatte es vorbereitet, weil sie aufs Feld musste. Der Vater war ja im Krieg. Zum Essen kam er allerdings nicht mehr, als er beim Voralarm aus der Schule nach Hause geschickt wurde. Die Großmutter nahm ihn mit in den Keller, der eigentlich kein Luftschutzkeller war. An Angst kann er sich nicht erinnern, aber an die Kellertür, die aus den Angeln flog, als eine Bombe in der Nachbarschaft einschlug.

Die, die nach der 5. Angriffswelle aus den Kellern kamen, fanden nur Bombentrichter und Trümmer vor. Umgestürzte Telegraphen- und Strommasten, Eisenbahnschienen, die in die Luft ragten, Waggons, die durch die Luft geschleudert worden waren, machten ein durchkommen von einem Ende der Stadt zum anderen unmöglich.

Mucksmäuschen still ist es im Raum als Ernst Hanft die Geschichte seiner Frau erzählt. Als der Voralarm kam riss sie sich von der Hand der Kindergärtnerin los, weil ihre Mutter ihr aufgetragen hatte, sofort nach Hause zu kommen. Und sie lief durch die halbe Stadt, während die anderen Kindergartenkinder mit den Erzieherinnen sich im benachbarten Keller einer Brauerei vermeintlich in Sicherheit brachten. Aber sie wurden dort verschüttet, und konnten nicht mehr ausgegraben werden. Seine Frau überlebte als einzige.

 

„Haltet untereinander Frieden, denn Krieg fängt mit Streit im Kleinen an!“ mahnt Hanft die Schüler am Ende dieser beiden Schulstunden, die einen tiefen Eindruck bei den Kindern hinterlassen.